TREPTOWER PARK

Sowjethelden an der Technomeile

von Julia Cornelius

Wer am Treptower Park aus der Ringbahn steigt, erwartet wohl eher eine erholsame Grünanlage, aber keine Pilgerstätte der DDR-Geschichtspolitik oder gar ein Partyzentrum für das zeitgenössische, junge Berlin und seinen "Easyjetset". Namensgeber der Station ist ein gegen Ende des 19. Jahrhunderts am Ufer der Spree angelegter Volkspark. Er erstreckt sich am Ausflugsdampferhafen entlang zur Insel der Jugend und dem Zennerhaus, Ausflugslokal des alten Berlin. Dahinter befand sich der frühere "Kulturpark Plänterwald" als Vergnügungspark der DDR, nach dem Mauerfall in "Spreepark" umbenannt und in die Pleite getrieben. Dessen öffentlicher Verfall gibt heute eine schauerlich-reizvolle Kulisse für Berliner Sonntagsspaziergänge.

Verlässt man das Bahnhofsgebäude in Richtung Puschkinallee, erhebt sich an der Straße nach wenigen hundert Metern ein Triumphbogen aus grauem Granit – der Eingang zum sowjetischen Ehrenmal. Siebentausend im Kampf um Berlin gefallene Rotarmisten fanden in der eindrucksvoll mit Bronzestatuen und Marmorsarkophagen geschmückten Anlage ihre letzte Ruhe. Das Ehrenmal wurde am 8. Mai 1949 nur wenige Monate vor der DDR-Staatsgründung eingeweiht und dadurch später mit besonderer politischer Bedeutung aufgeladen.

Für viele im Osten des Landes aufgewachsene Bürger ist diese monumentale Versteinerung des Gründungsmythos' der DDR ein Erinnerungsort ihrer Schulzeit, als Besuche mit roten Nelken zum pädagogischen Pflichtprogramm gehörten. Am 31. August 1994 diente das sowjetische Ehrenmal beim Abzug der russischen Truppen aus Ost-Deutschland ein letztes Mal staatlich organisiertem Gedenken.

Erinnerungen, Mythen und Sehnsüchte anderer Art entstehen nördlich der Ringbahnstation zwischen Landwehrkanal und Oberbaumbrücke. Am Hochhauskomplex der Treptowers vorbei führt der Weg nach nur wenigen Gehminuten auf das südliche Ende der Ausgehmeile der Tanzflächenglücksuchenden. Jedes Wochenende fliegen Tausende von überall her in die deutsche Metropole und huldigen dem Mythos von Berlin als Feierhauptstadt der westlichen Welt. Billige Mieten und liberale Behörden haben den Nährboden geschaffen für das, was Tobias Rapp in Lost and Sound als "Techno Berlin" bezeichnet: eine besondere Art des Ausgehens, die für viele eine radikale Abkehr von der Wirklichkeit des alltäglichen Arbeitszwangs darstellt. Der Sound zu dieser Realitätsflucht, die nicht selten von einer Nacht bis zum nächsten oder übernächsten Nachmittag dauert, ist Techno. Tagsüber weitgehend unsichtbar nimmt der nächtliche Exzess hier seinen Anfang.

Doch auch mitten in der Woche und bei Tageslicht ist die Grenzgegend zwischen den ungleichen Bezirksschwestern Friedrichshain und Kreuzberg sehenswert. Am Schlesischen Tor fliegt die strahlend gelbe Hoch-Bahn auf Höhe des zweiten Stocks an den Gründerzeitbauten vorbei. Vor der Oberbaumbrücke zeigt sich das typische Berliner Ensemble aus Plattenbau, Abrisshaus, Imbiss, Club und modisch gekleideten jungen Menschen auf Eisdielenstühlen der 50er Jahre. Am Landwehrkanal lässt sich mit Blick aufs Wasser in schönster Großstadtromantik Kaffee trinken; auf der Schlesischen Straße laden zahlreiche Restaurants und Imbisse zu türkischen, vietnamesischen oder wienerischen Spezialitäten ein; Mode-, Platten- und Möbelläden reizen zu einer kleinen Shoppingtour. Der Görlitzer Park mit seinen Graffitis und dem riesigen maroden Brunnengebilde ist eher Schauplatz von Partys als von beschaulichen Spaziergängen. Was auch immer es sein soll, hier lohnt ein Besuch für schöne Erinnerungen, um Sehnsüchte zu wecken und am Mythos Berlin mitzufeiern.

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