HALENSEE

Am glanzlosen Ende des Kurfürstendamms

von Aleksandra Potapczuk

Die Station Halensee liegt am hinteren Teil des Kurfürstendamms nahe der gründerzeitlichen Villenkolonie Grunewald. Von der guten Adresse ist auf dem Bahnsteig wenig zu spüren, ein postmoderner Fußgängerübergang führt auf den trostlosen Henriettenplatz. Das 1960 als Ersatz für die Kriegsruine errichtete Empfangsgebäude wurde 1993 abgerissen, um ein Shopping-Center mit Bahnanschluss zu errichten. Der Neubau sollte mit den bereits bestehenden Bürogebäuden eine Erweiterung der City West bilden. Doch die Marktlage entwickelte sich zugunsten des Ostberliner Stadtgebietes und machte den Investoren einen Strich durch die Planung. Heute stehen viele Büros und Läden leer, das Bahnhofsgebäude wurde lediglich provisorisch ersetzt.

Der Henriettenplatz ist mit kitschigen Großskulpturen und einem Springbrunnen möbliert, wenige Schritte den Ku´damm stadtauswärts findet sich eine weitere Plastik: Auf dem Rathenauplatz, der unterirdisch von der Stadtautobahn gekreuzt wird, stehen die „Zwei Beton-Cadillacs in Form einer nackten Maja“ von Wolf Vostell. Sein Beitrag zum Skulpturen-Boulevard anlässlich der 750-Jahrfeier Berlins provozierte viele Bürger so sehr, dass sie jahrelang für einen Abriss der Skulptur stritten.

Westlich des Rathenauplatzes liegt der Halensee, Anfang des letzten Jahrhunderts eines der beliebtesten Ausflugsziele der Berliner. An seinem Ostufer wurde 1904 der damals größte Vergnügungspark Europas eröffnet: der Lunapark lockte mit Attraktionen wie der „Shimmy-Treppe“ und dem „Teufelsrad“, mit Wasserrutsche und Wellenbad, Völkerschauen, Konzerten und Feuerwerken. Bis 1933 war der Park jedoch stark herabgewirtschaftet, den Nazis galt er zudem als Inbegriff der dekadenten „Kurfürstendamm-Kultur“, kurzerhand rissen sie die Anlage ab; nur noch alte Postkarten erinnern an das spektakuläre Freizeitvergnügen. Heute ist der See von Wohnbauten umringt, der Strand liegt verlassen, denn das Wasser ist wegen Verkeimung unzugänglich. Eine aufwändige Filteranlage soll das Baden in den kommenden Jahren wieder möglich machen.

Die Geschichte des nahen Villenviertels am Grunewald geht auf Wilhelm von Carstenn zurück, dessen Terrain-Gesellschaften auch Lichterfelde Ost, Lichterfelde West, Friedenau und Teile von Wilmersdorf entwickelten. Der Hamburger Kaufmann kam 1865 wegen der niedrigen Bodenpreise nach Berlin und begann abseits des amtlichen Bebauungsplans, Villengebiete samt Infrastruktur zu errichten. Von Carstenn gilt als Initiator der privaten Stadtplanung in Berlin. Seine Vision sah eine Ausdehnung der Hauptstadt bis nach Potsdam vor – ein „Großberlin“ mit dem Grunewald als Central-Park. Er war es auch, der die Idee aufbrachte, den Kurfürstendamm zu einer breiten Verbindungsstraße der City zu den neuen Villengebieten im Südwesten auszuweiten. Der Mitte des 16. Jahrhunderts zwischen dem Berliner Stadtschloss und dem Jagdschloss Grunewald angelegte „Churfürsten Damm“ war mittlerweile nur noch ein Feldweg. Auf Anregung Bismarcks entstand ab 1875 ein repräsentativer Boulevard nach dem Vorbild der Champs-Elysées, mit 53 Metern jedoch nur halb so breit. Er entwickelte sich schnell zur beliebten Vergnügungsmeile. Im 2. Weltkrieg stark zerstört, wurde er als „Schaufenster des Westens“ bald wieder in den alten Dimensionen aufgebaut. Bis zum Mauerfall bildete er den gesellschaftlichen Mittelpunkt West-Berlins, dann zog das historische Stadtzentrum im Ostteil mehr Interesse auf sich.

Noch immer ist der Ku'damm eine der bekanntesten und teuersten Adressen Berlins, auf seinen 3,5 Kilometern Länge wandelt sich der Charakter jedoch stark: vom touristischen Treiben am Breitscheidplatz über den Glanz des Luxus-Shoppings bis zum schlichten Ambiente einer Ausfallstraße an der Ringbahnstation Halensee. Fast scheinen die Gleisanlagen hier die Stadtgrenze zu markieren. Am Ende des Kurfürstendamms offenbart sich ein unbekannter Blick auf diese West-Berliner Institution. Die gefühlte Randlage erweitert den Horizont, und dahinter wartet immer noch der Grunewald.

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