Karte Spaziergang Landsberger Allee

LANDSBERGER ALLEE

Spaziergang: Grüne Entdeckungen zwischen Trümmerberg und Jüdischem Friedhof

Download der Spaziergangskarte (A4)

von Rachel Marks

Wer die Bewohner des Prenzlauer Bergs nach Grün in der Nähe der Landsberger Allee fragt, erhält meist den Hinweis auf den Volkspark Friedrichshain als Antwort. Dabei liegen gerade außerhalb der Ringbahn viele ungewöhnliche Natur-Oasen, die in ihrer gestalteten Form verschiedene historische Facetten Berlins abbilden.

Läuft man aus dem Ringbahnhof "Landsberger Allee" in Richtung Osten und lässt die markante Schwimmhalle und das Velodrom hinter sich, umgibt einen plötzlich der öde Stadtraum zwischen Schlachthofgelände und Plattenbauviertel. Sobald man aber die andere Straßenseite betritt und der Lärm quietschender Züge langsam verebbt, zeigt sich ein Bau-Ensemble, das in der DDR als Idyll galt und noch heute einen ganz eigenen Reiz ausstrahlt. Der Gegend würde das Besondere fehlen, wenn nicht durch die einschneidende Ringbahn ein scharfer Kontrast zu den noch grauen Mietskasernen auf der anderen Seite entstünde. Die Platte wirkt in dieser Gegenüberstellung mit ihrer klaren Formgebung geradezu von schlichter Schönheit.

Nach einigen Minuten Fußweg gabelt sich die Straße; genau dort liegt der Eingang zum kleinen Nachbarschaftspark – grünes Portal in eine andere Welt. Im Sommer schaffen die Bäume einen Blättertunnel um die aufsteigenden Wege; auch im Winter ist die Vegetation so dicht, dass die Besucher ungestört umherflanieren und verweilen können. Von einer kleinen Anhöhe aus fällt der Blick zunächst auf zwei Jungs, die konzentriert in den Himmel schauen. Sie tun dies sehr sehr lange, denn sie sind aus Bronze. Fast direkt vor ihren Füßen liegt hier eine weitere echte Entdeckung: der Volkspark Prenzlauer Berg [3]. Am Eingang an der Sigridstraße wirkt es, als stehe man vor einem Berg weit außerhalb der Stadt, und auf dieser Seite des Hangs (im Gegensatz zum Nordosten mit seinen weiten Wiesen) kommt das Gefühl auf, komplett in der Wildnis zu sein. Dunkle steile Wege führen kreuz und quer über diesen Trümmerberg, der in den 1950er Jahren vom Volksmund den Namen „Oderbruchkippe" verliehen bekam. Die Bepflanzung lief eher ungeplant, mit dem heutigen Ergebnis von purer Natur am Eingang zur Stadt. Oben auf der Bergspitze bekommt man einen wunderschönen Blick über Berlins moderne Seite: nach Südosten auf die farbige Plattenbaulandschaft Hohenschönhausens, nach Nordwesten über das Müllgelände der BSR (eine erstaunlich häufige Erscheinung entlang der Ringbahn). Hier in der luftigen Höhe mutiert sogar der Großstädter zum großen Entdecker, der in die dunklen Nischen und schmalen Pfade der Stadt vordringen will.

Schon lange vor dem Park wurden 1908 die Kleingärten [4] angelegt, die heute ein idyllisches Nischendasein zwischen Trümmerberg, Müllanlage und dem Friedhof Weißensee führen. Von drei Vereinen wird diese kleine heile Welt mit Stolz gepflegt; auch dem respektvollen Spaziergänger steht sie zum Durchqueren offen. Beobachtet wird man schon von den anwesenden Besitzern - nicht schüchtern sein, einfach den Laubenpiepern zur grandiosen Tomatenernte gratulieren! Weiter geht es durch offene "Hinterhöfe" einer Plattenbau-Siedlung, die vermutlich als Unterkunft für die Mitarbeiter des 1979 neu gebildeten VEB Kombinat Plast- und Elastverarbeitung in der Puccinistraße diente. Ursprünglich 1899 für die Carl Müller Gummiwarenfabrik [6] gebaut, wurde diese Produktionsanlage nach der Wende gründlich "gentrifiziert" und erlebte ihre Wiedergeburt als aufgehübschter "Puccini Hof" mit Luxus-Lofts und Townhomes.

Im so genannten Komponistenviertel liegt der jüdische Friedhof [7] von 1848, der heute als der größte Europas gilt. Eine Tafel vor der Eingangshalle aus gelbem Backstein informiert über die Geschichte der Juden Berlins. Diese Ruhestätte wurde Mitte des 19. Jahrhunderts als Ausweichplatz für das überbelegte Gräberfeld am Schönhauser Tor angelegt. Bis 1940 diente das Gelände auch denen als Ort des Abschieds, die gar nicht zum Trauern kamen. Hier wurden jüdische Gärtner für die Kultivierung Palästinas ausgebildet, solange eine Emigration noch möglich schien. Trotz Beschädigungen durch den folgenden Bombenkrieg scheint die Pflanzenwelt hier wieder die vollständige Herrschaft übernommen zu haben. Den Eindruck von Natur, Kultur und Vergänglichkeit, den man hier zwischen den von Efeu umrankten Grabsteinen gewinnt, lässt sich nicht in Worten fassen. Dafür kann man ja selbst auf Entdeckung gehen.

Tourdaten

1. Generator Hostel | Der blau-weiße Plattenbau zieht junges Publikum in die Gegend | Storkower Straße 160 | www.generatorhostels.com/de/berlin

2. Park Syringenplatz | Wie ein grüner Durchgang angelegt bietet der erhöhte Park ruhige, schattige Sitzplätze | Ecke Syringenweg / Syringenplatz

3. Volkspark Prenzlauer Berg | Dieser Trümmerberg trug seit den 1950ern den Namen Oderbruchkippe, heute dient er als Park und Erholungsort: zur einen Seite hin wild begrünt und verwachsen, zur anderen von einladenden Wiesen geprägt | Eingänge Sigridstraße sowie Schneeglöckchenstraße und Süderbrokweg | www.berlin.de/ba-pankow/verwaltung/vpprenzlauerberg

4. Kleingartenanlage "Neues Heim" | Es ist nicht oft so, dass man unbeobachtet durch eine Kleingartenkolonie laufen kann, hier aber trifft man in der kleinen heilen Welt auch andere Nicht-Gärtner, die sich nur von A nach B bewegen wollen - vielleicht, weil die kleinen grünen Parzellen hier eher eine Erweiterung des Parks zu sein scheinen| www.kleingarten-prenzlberg.de/vereine/neuesheim

5. Daniels | Zwischen Volkspark und Friedhof ist die Auswahl an Gaststätten klein. Dafür ist man für die kalten Getränke, das Ei, und die günstigen Fleischgerichte in diesem Imbiss dankbar | Sarggasse / Kniprodestraße

6. Carl Müller Gummiwarenfabrik | Unter dem Namen „Puccini Hofgärten" bekannt, wurden die heutigen Räume der Apartments, Lofts und Townhomes seit 1898 für fast ein Jahrhundert als Produktionsstätte genutzt | Puccinistraße, Ecke Herbert-Baum-Straße | www.puccini-hofgaerten.de

7. Jüdischer Friedhof Berlin-Weißensee | Auf dem 1880 eröffneten größten jüdischen Friedhof Europas haben über 100.000 Menschen ihre letzte Ruhestätte gefunden. Die Schönheit der stillen Wege berührt | Markus-Reich-Platz 1 | www.stadtentwicklung.berlin.de/umwelt/stadtgruen/.../friedhoefe/weissensee

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