Karte Prenzlauer Allee

PRENZLAUER ALLEE

Spaziergang: Zeitreise zwischen Plattenbau und Weltkulturerbe

Download der Spaziergangskarte (A4)

von Julia Cornelius

Eine Zeitreise in der Welt des Wohnens von der Gründerzeit über die Berliner Moderne zum Bauen für den sozialistischen Menschen: Willkommen in der Prenzlauer Allee!

Vom Kaiserreich um 1900 bis in die Endphase der DDR braucht es in der Prenzlauer Allee weder schwarze Löcher noch einen De Lorean mit Fluxkompensator, nein, ein Katzensprung reicht aus. Überquert man die mehrspurige Prenzlauer Allee am Ringbahnhof aus dem Jahr 1892, taucht man sogleich in die futuristische Welt des DDR-Prestigeobjekts Ernst-Thälmann-Park ein, das 1987 anlässlich der 750-Jahr-Feier (Ost-)Berlins errichtet wurde. Das Ensemble aus Natur, Kunst im öffentlichen Raum, der weithin sichtbaren silbernen Kuppel des Zeiss-Großplanetariums [1] und den dahinter liegenden Wohnblocks befindet sich auf dem Gelände der einstigen IV. Berliner Gasanstalt.

Gleich nebenan liegen Gebäude, deren geschichtsträchtige Wände zu flüstern scheinen: das heutige Bürgeramt Prenzlauer Berg [2]. Von der Jahrhundertwende bis in die 1930er Jahre diente der Bau als Hospital und Siechenhaus, 1934 richtete die Nationalsozialistische Diktatur hier ein Bezirksamt mit mehreren Behörden ein, u.a. das Gesundheitsamt, das eine grausame Rolle in der Durchsetzung der „sozialen Auslesepraktiken" des NS-Terrors spielte. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges betrieb der sowjetische Geheimdienst NKWD eine Haft- und Verhörstätte [3] an diesem Ort, die ab 1950 vom Ministerium für Staatssicherheit der DDR genutzt wurde. Eine Ausstellung [4] zwischen den Gebäuden 3 und 6 widmet sich der 120-jährigen Geschichte des Areals.

Nun geht es weiter zum Vivantes-Klinikums [5], das einstmals als Obdachlosenasyl 5000 Menschen Obdach für eine Nacht gewährte. Ein idyllischer Park war früher ein Barackenlager. Am Hinterhof führt die Ella-Kay-Straße [6] entlang und bietet einen wunderbaren Blick auf das aus dieser Perspektive sonderbar ästhetische Plattenbauensemble des Ernst-Thälmann-Parks [7].

Von 1983 bis 1986 wurde unter der Leitung des Architekten Erhardt Gißke ein „Wohnpark" mit gut 1300 Wohnungen für 4000 Bewohner gebaut und für jeden von ihnen ein Baum gepflanzt. Die scheinbar originalgetreue DDR-Atmosphäre dieses Ortes nahe der Innenstadt und am Rande des gentrifizierten Prenzlauer Bergs hat von ihrer Beliebtheit nichts eingebüßt. Park und Plattenbauten werden auch heute noch von der Bewohnerschaft angenommen.

Durch den Park hindurch zur Greifswalder Straße und am gleichnamigen S-Bahnhof vorbei geht es über die Naugarder Straße zur Erich-Weinert-Straße, wo die Berliner Moderne ihre Besucher mit ihrer ganz anderen, wenngleich etwas beengten Ästhetik erwartet. Die Wohnstadt Carl Legien [8], eine der sechs Siedlungen, die als herausragende Beispiele für die Berliner Moderne erst kürzlich in die der Weltkulturerbeliste aufgenommen wurden, erstrahlt in hellem Gelb und sattem Grün und wirkt doch einsam. Die Funktionsbereiche und kleinen Ladengeschäfte der Wohnstadt stehen leer, es spielen kaum Kinder in den Straßen. Ein paar hundert Meter weiter links begrüßen uns die Supermarktketten der Nachwendezeit und erklären indirekt den eben wahrgenommenen Leerstand.

Die Dunckerstraße und die Stargarder Straße erlauben einen kleinen Abstecher in die Wohnwelt der Gründerzeit und den Anfang des Gentrifizierungsbereichs von Prenzlauer Berg. Nach ein paar Schritten in die Seitenstraße sind die Häuser komplett saniert, erscheinen Bioläden und Büros der „Was mit Medien"-Fraktion und schlürfen schick gekleidete Menschen ihre Suppe [9] oder ihren Bica in Cafés mit Omasofas wie der Wohnzimmerbar [10]. Auf dem Weg zurück zur Prenzlauer Allee warten weitere Entdeckungen: das eka [11] versammelt Künstler, Kreative und die Anderen. Wer mag, dem sei ein kleiner Abstecher in die von Heimsenioren gestaltete Ausstellung „Zimmermeister Bruntzel baut ein Mietshaus" [12] in der Dunckerstraße empfohlen. Für eine Stärkung bietet das Alois S. [13], ein legeres Kiezrestaurant mit praktischer Anbindung an einen Spielplatz, den richtigen Ort. Schließlich geht es rechter Hand zurück zur Prenzlauer Allee, von wo die Ringbahnreise nun fortgesetzt werden kann.

1. Zeiss-Großplanetarium | DDR-Prestigeprojekt und größtes Planetarium Deutschlands | Prenzlauer Allee 80 | www.sdtb.de/Das-Planetarium.413.0.html
2. Bürgeramt Prenzlauer Berg | Die Gebäude beherbergten einst das städtische Hospital und Siechenhaus an der Prenzlauer Allee sowie das städtische Asyl und Obdach in der Fröbelstraße. Danach nutzte das Ministerium für Staatssicherheit weite Teile des Geländes | Fröbelstr. 17 | www.berlin.de/ba-pankow/buergerdienste/wopberg.html
3. Haus 3 | Ein umlaufendes Kunstwerk erinnert an die Folterungen, die an diesem Haftort des NKWD in den Nachkriegsjahren stattfanden | Fröbelstr. 17
4. Ausstellung „Prenzlauer, Ecke Fröbelstraße" | Auf dem Gelände des heutigen Bürgeramtes gibt es eine Open-Air-Ausstellung zur NKWD- und Stasi-Vergangenheit der Gebäude. | Fröbelstr. 17
5. Vivantes Klinikum Prenzlauer Berg | Das frühere Obdachlosenasyl beherbergt auch einen sehr schönen Krankenhausgarten, der öffentlich zugänglich ist. Einst fanden hier in Baracken 5000 Berliner Obdachlose Unterkunft für eine Nacht. | Fröbelstr. 15 | http://www.vivantes.de/pb/
6. Ella-Kay-Straße | Am Hinterhof des Klinikums eröffnet sich ein weiter Blick auf das Plattenbauensemble des Ernst-Thälmann-Parks, der zur 750-Jahr-Feier Berlins von der DDR errichtet wurde | Ella-Kay-Straße
7. Ernst-Thälmann-Park | Wohnpark und Stadtgrün für den besonders sozialistischen Bürger | Prenzlauer Allee 80
8. Wohnstadt Carl Legien | Teil des Wohnungsbauprogramms der Weimarer Republik, heute Weltkulturerbe als Repräsentant der Berliner Moderne | Erich-Weinert-Straße
9. Intersoup | Café, Suppenbar und Ort für kleine Konzerte. Zwischen Thai-Blumendekor, Nierentischchen und den Lampen des alten Café Kranzler finden Sofasurfer ein flauschiges Revier zum Entspannen | Schliemannstraße 31 | www.myspace.com/intersoup
10. Wohnzimmer | Gab in Berlin einer ganzen Gastronomieform seinen Namen. Klassiker und ein zentraler Treffpunkt im Kiez | Lettestraße 6 | www.wohnzimmer-bar.de/
11. eka | Künstler, Kreative und die Anderen treiben sich gerne in dieser zart-trashigen Bar herum | Duckerstraße 9 | www.eka-leka.de
12. Ausstellung Dunckerstr. | "Zimmermeister Bruntzel baut ein Mietshaus" - die Ausstellung wurde von Heimsenioren gestaltet und befindet sich in einer Altbauwohnung, die im Stil der Zeit um 1900 eingerichtet wurde. | Dunckerstraße 77 | http://www.ausstellung-dunckerstrasse.de/
13. Alois S. | Legeres Kiezrestaurant mit Niveau. Gute Tapas, Helles vom Fass und lange Fußballübertragungen im Hauskeller. Der Freisitz befindet sich auf einem großen Kinderspielplatz, praktisch für die Eltern | Senefelder Straße 18 | www.aloiss.de

Zurück